Blumberg, den 14.12.2023
Rede des Fraktionsvorsitzenden Dieter Selig zur Verabschiedung des
Haushalts 2024 in der Gemeinderatssitzung vom 14.12.2023
(es gilt das gesprochene Wort) - Freigabe 15.12.2023 / 24:00 Uhr
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Keller,
sehr geehrte Frau Amtsleiterin Schautzgy,
sehr geehrte Frau Neidhart,
sehr geehrter Herr Amtsleiter Veit,
werte Ratskolleginnen und Kollegen,
Unsere Überschrift für den Haushalt 2024 lautet:
„Im Spagat zwischen Aufgabenerfüllung und Sicherstellung der dauerhaften Leistungsfähigkeit“
Zu Beginn meiner Haushaltsrede zitiere ich den die Gemeinden betreffenden Inhalt aus Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz
Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. (…..). Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
Aus diesem Artikel 28 ergeben sich 5 Hoheitsrechte von denen ich die Finanz- und Verwaltungshoheit, nach den allgemeinen Anmerkungen genauer betrachten möchte.
Was wurde in den letzten Jahren aus diesen beiden Grundsätzen. Beispielhaft möchte ich dies anhand der Unterbringung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge als auch der Menschen, die Schutz vor Verfolgung suchen und ein Asylgesuch vorbringen erläutern.
Warum gerade dieses Beispiel, weil es sich am besten eignet eines der vielen Versagen der Bundespolitik darzustellen und wie sich dieses schlussendlich auf die Kommunen auswirkt.
Grundsätzlich haben die Gemeinden kein Mitspracherecht bei der Aufnahme von Flüchtlingen, sondern sind lediglich zum Vollzugsgehilfen der jeweiligen Bundesländer und der Landkreise degradiert worden.
Erst nachdem die Menschen nicht mehr verpflichtet sind in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, wenn es um die Unterbringung, Betreuung und Integration aufgenommener Flüchtlinge vor Ort geht, verlagert sich der Schwerpunkt der Aufgabenerledigung auf die Kommunen. Also, verbleibt der Groß- und der schwierigste Teil der Arbeit an den Landkreisen und in der Folge bei den Kommunen.
Am 16.10. wurden Grenzkontrollen zur Schweiz eingeführt, um die irreguläre Migration stärker zu bekämpfen. An den Grenzen zu Polen und Tschechien laufen diese bereits seit längerem. Trotzdem stiegen die Asylbewerberzahlen mit Erstantrag laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von 27.889 im September auf 31.887 im Oktober und weiter auf 35.316 im November.
Es nützt folglich überhaupt nur wenig oder gar nichts, wenn durch eingeführte Kontrollen an den Grenzen vermehrt Flüchtlingsschleuser festgenommen werden, nachfolgend aber die dabei eingeschleusten Personen ein Asylsuchgesuch vorbringen und im Bundesgebiet verbleiben.
Zu der Anzahl der Asylbewerber kommen im September 13.548 und Oktober 15.773 ukrainische Kriegsflüchtlinge laut statistischem Bundesamt dazu. Die Gesamtzahl von 124.413 werden nach dem Königsteiner Schlüssel, für Baden-Württemberg (BW) ca. 13%, auf die Bundesländer verteilt. Folglich wird BW von der Gesamtzahl der Geflüchteten, 16.176 Menschen aufnehmen die im Zeitraum 09-11/23 zu uns gekommen sind. Am Ende durch die Kommunen untergebracht, betreut und integriert werden müssen.
Wir sind gerne bereit diejenigen Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung flüchten, bei uns aufzunehmen. Allein die Geschichte Deutschlands verpflichtet uns dazu. Aber die Grenzen des Machbaren sind erreicht, wenn nicht bereits überschritten.
Nun meine sehr geehrten Damen und Herren, was bedeutet das für eine Stadt wie Blumberg in Bezug auf die Hoheitsrechte Finanz- und Verwaltungshoheit gem. Artikel 28 GG?
Zur Finanzhoheit, die besagt, dass die Gemeinde über ausreichende finanzielle Mittel verfügen muss, um die ihr übertragenen Aufgaben finanzieren zu können.
Bezahlbarer Wohnraum ist so gut wie nicht mehr vorhanden. Horrende m²-Mietpreise werden von Wohnungseigentümern für die Unterbringung von Flüchtlingen gefordert. Für die Mietzahlungen etc. muss die Stadt erst einmal in Vorleistung gehen.
Konkret in Zahlen im Haushalt 2024: Personalkosten 33.000€, Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen 535.000€, davon allein 350.000€ für Mieten.
Von den Gesamtaufwendungen in Höhe von 587T€, verbleibt bei der Stadt Blumberg ein veranschlagtes Minus von 156T€.
Ob z.B. die von der Bundesregierung versprochenen 7.500€ Unterstützung pro Asylbewerber, die einen Erstantrag stellen tatsächlich kommen, wird sich nach Beschluss des Haushalts 2024 der Bundesregierung erst noch erweisen müssen.
Zur Verwaltungshoheit: Diese bestimmt das Recht der Gemeinde, dass die ihr zugewiesenen Aufgaben in eigenem Namen und durch eigene Rechtsakte erfüllt werden dürfen.
Ich weiß nicht Frau Schautzgy, ob Sie in den letzten Jahren einen Blick in ihre Stellenbeschreibung als Hauptamtsleiterin geworfen haben.
Aber ich bin mir sicher, würden Sie die Teile ihrer Tätigkeitsbeschreibung rot markieren die Sie aufgrund meiner zuvor gemachten Anmerkungen gar nicht mehr oder nur teilweise erfüllen können, bliebe nicht mehr viel übrig.
Aber nicht nur Sie werden von diesen Themen stark belastet, es wirkt auch auf die Schultern des Bürgermeisters und vieler weiterer Mitarbeiter in der Verwaltung.
Dies alles hat zur Folge, dass die im Grundgesetz verbrieften Rechte der Gemeinde, nur noch zum kleinen Teil verwirklicht werden können.
Um es klar zu sagen, all dies ist nicht die Schuld der Menschen die zu uns flüchten, sondern ein mehrjähriges Versagen der Bundespolitik.
Diese Dauerbelastung geht weder spurlos an der Verwaltung, noch am Gemeinderat vorüber. Es ist mittlerweile leider auch spürbar und offensichtlich. Wörter oder Äußerungen werden auf die Goldwaage gelegt, hätten es aber zu früheren Zeiten nicht einmal bis zum Schrottplatz geschafft.
Die wirtschaftlichen Aussichten sind nicht rosig, so ehrlich müssen wir sein. Trotz steigender Steuereinnahmen ist die Bundesregierung nicht in der Lage einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Steigende Kosten und Zinsen und ein gleichzeitig hoher Investitionsbedarf werden die Kommunen in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen stellen.
Die Vielfalt und Menge der kommunalen Aufgaben nimmt kontinuierlich zu und die Aufgabenerfüllung von oben nach unten erscheint quasi selbstverständlich.
Vor Ort übernehmen wir als unmittelbare Umsetzer immer mehr staatliche Aufgaben und meistern Krisen – jedoch ohne auskömmliche Finanzierung und ohne das dafür erforderliche Personal zu finden.
Jahr für Jahr investieren wir in den Ausbau und in die Ausstattung von Kindertagesstätten und Schulen sowie in die Schulkindbetreuung, die wir gesetzlich vorantreiben müssen. Gleichzeitig steigen die vorgegebenen Qualitätsstandards, aber auch die zu erfüllenden Vorschriften im laufenden Betrieb immer weiter an.
Zukunftsinvestitionen in den Ausbau der Wärmeinfrastruktur, in die Eigenstromerzeugung durch PV-Anlagen auf unseren kommunalen Gebäuden, in den Umweltschutz oder in den Glasfaserausbau, sind sehr kostenintensiv und belasten dauerhaft unsere kommenden Haushalte mit Abschreibungen und Zins plus Tilgung. Der Return of Invest dieser Aufgaben beträgt viele Jahre oder gar Jahrzehnte.
Um mit den Schulen den Weg ins Digitalzeitalter dauerhaft erfolgreich zu gehen, braucht es gute Konzepte und vor allen Dingen Eines: Ganz viel Geld, denn die Digitalisierung ist eine Daueraufgabe, wie so vieles andere auch.
Die Kommunen benötigen langfristig mehr Haushaltsmittel, weil wir dies nicht zusätzlich aus dem laufenden Schulbudget finanzieren können.
Viele unserer Immobilien müssen genauso wie unsere städtische Infrastruktur entweder saniert oder komplett neu gebaut werden. All dies fällt zukünftig in ein Finanzierungsumfeld, das immer schwieriger wird und nachhaltige Investitionen kaum noch ermöglicht ohne sich zu verschulden.
Die wirtschaftlich sehr guten 10 Jahre, in der die Wirtschaft nur eine Richtung und zwar nach oben kannte, sind vorbei. Ebenso die Zeiten, zu denen nahezu jede Investition zu einem Null Zins finanzierbar war.
Zum Ergebnishaushalt:
Das Volumen unseres Ergebnishaushalts wächst Jahr für Jahr. Es gelingt uns nicht den gesamten Ressourcenverbrauch zu erwirtschaften und damit dem Prinzip der Generationengerechtigkeit vollumfänglich Rechnung zu tragen. Den geforderten Ausgleich des negativen Ergebnisses im Ergebnishaushalt können wir nur bilanztechnisch über die Entnahme aus der Ergebnisrücklage erreichen.
Die Hauptaufwandstreiber, die unseren Ergebnishaushalt schwer belasten sind:
1.
Die ordentlichen Aufwendungen, also Ausgaben die im Rahmen der gewöhnlichen Geschäfts- bzw. Verwaltungstätigkeit anfallen und meistens planbar oder jährlich regelmäßig wiederkehrend sind.
2.
Die Abschreibungen, die aber erst nach Fertigstellung des Campus ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht haben werden.
3.
Die Personalaufwendungen, die nicht nur aufgrund der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst ansteigen. Sie erhöhen sich seit 2020 von 6,06Mio.€ um rd.1,6Mio.€ auf nunmehr 7,6Mio.€. Das entspricht einer Steigerung von rund 27% im Vergleich zu 2020.
Dazu tragen auch die von „Oben nach Unten“ durchgereichten Aufgaben, insbesondere beim Personalaufwand, bei.
4.
Der Transferaufwand, der sich von 10,03Mio.€ im Jahr 2020 auf 12,4Mio.€ in 2024 erhöht, ein mehr von rund 2,4Mio.€ oder 24%.
Allein die Kreis-, Gewerbesteuer- und Finanzausgleichsumlage belasten den Ergebnishaushalt 2024 im Transfer mit 10,13Mio.€.
Aufgrund weiterer kommunaler Aufgabenzuwächse werden wir bereits in naher Zukunft auch an weiteren Stellenschaffungen und Anschaffungen nicht vorbeikommen. Genannt sei hier nur der aufsteigende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter.
Zum Finanzhaushalt:
In 2024 sind Investitionen von rd. 9,9 Mio.€ veranschlagt. Im gesamten Finanzplanungszeitraum bis 2027 sogar über 40 Mio.€. In diesen nicht enthalten sind zum Beispiel die Kosten für die Sanierung der Halle Riedböhringen oder einen Kindergartenneubau. Die Summe übersteigt zum momentanen Zeitpunkt deutlich das finanziell und personell Leistbare.
Sehr geehrte Damen und Herren, uns muss klar sein, dass die in der mittelfristigen Finanzplanung veranschlagten Investitionen bzw. noch nicht veranschlagten Investitionen zum Teil nur über einen Anstieg der Verschuldung realisiert werden können.
Deshalb erachten wir es als dringend erforderlich, dass der „alte Gemeinderat“ das Gebäudesanierungskonzept inklusive weiterer anstehender Maßnahmen nach fünf Jahren aktualisiert und neu priorisiert.
Zu den Einzelpositionen des Ergebnis- und Finanzhaushalts hat sich die Fraktion bereits im Rahmen der Haushaltsplanberatungen geäußert.
Die Aufstellung eines Haushaltsplans ist mittlerweile eine große Leistung und ein richtiger Kraftakt – keine Selbstverständlichkeit mehr, nicht war Frau Neidhart?
Für die Aufstellung des diesjährigen Haushalts ein herzliches Dankeschön an alle die daran mitgearbeitet haben, insbesondere an Sie Frau Neidhart, aber seien Sie beruhigt, Sie haben die Feuertaufe mit Bravour bestanden.
Als kleine Anerkennung und Dankeschön für dieses weitere schwierige Jahr, möchte die Fraktion unseren beiden „Frontfrauen“ Frau Schautzgy und Frau Neidhart einen Blumenstrauß und unserem „Frontmann“ Herrn Veit einen „flüssigen“ Blumenstrauß überreichen.
Zum Schluss wünschen wir allen einen ruhigen erholsamen Jahresausklang und hoffen, dass sich unser Haushalt, unsere Wirtschaft und die Bundesregierung, doch besser entwickeln als aktuell vorhergesagt.
Die CDU-Fraktion stimmt der Haushaltssatzung 2024 zu.
Dieter Selig
CDU-Fraktionsvorsitzender
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